#Metoo

Eigentlich wollte ich mich in die jetzt herrschende allgemeine Debatte nicht einmischen und mich auch nicht äußern. Aber in den letzten Wochen kocht das Thema derart hoch, dass ich nachdenklich geworden bin. Meine Gedanken schweifen zurück in die Vergangenheit.

Fast 64 Jahre alt, bin ich in einer Zeit groß geworden, in der alte Rollenbilder die Gesellschaft bestimmten. Überall hatten Männer das Sagen und den Begriff “Sexuelle Belästigung” kannte man noch nicht. Frauen durften ohne Einwilligung des Ehemannes weder ein Konto eröffnen, noch arbeiten gehen. Wenn sie überhaupt einen Führerschein hatten, durften sie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur fahren, wenn der Ehemann gesoffen hatte.

Dieser miefigen Gesellschaft stand eine aufmüpfige Jugend und die sexuelle Revolution gegenüber. Die Erfindung der Pille erlaubte, zum ersten Mal in der Geschichte, auch Frauen eine gewissen sexuelle Freiheit, vorausgesetzt ihr Ruf war ihr völlig Schnuppe. In dieser Welt war ich Kind und junge Frau. Früh entwickelt, machte ich schon mit 12 Jahren Bekanntschaft mit sexuellen Belästigungen. Als einzige in meiner Schulklasse hatte ich schon einen voll entwickelten Busen mit einem C-Körbchen. Wir waren Jungs und Mädchen gemischt und in den Pausen auf dem Schulhof packten mir einige der Jungs mit Vorliebe an den Busen. Das hatte zur Folge, dass ich weite Oberteile trug und mit krummem Rücken ging, um die Oberweite so weit als möglich zu kaschieren.

Mit 16 Jahre bin ich auf dem Weg von meiner Lehrstelle nach Hause, dieser Weg ging an einem Park vorbei, beinahe vergewaltigt worden. Ich hatte grosses Glück, das der Täter zwar groß und breit, aber noch sehr jung war. Als er mich packte, konnte ich ihn irgendwie da raus quatschen und ihn dazu bringen, das Weite zu suchen. Woher ich in diesem Moment diese Stärke nahm, weiß ich bis heute nicht. Aus meinem Elternhaus sicher nicht, denn ich wurde traditionell erzogen und mein Selbstbewußtsein wurde keineswegs gestärkt. Meinen Eltern habe ich nie von diesem Ereignis erzählt, nur meine Freunde wußten Bescheid.

Als nicht gerade häßliche Frau, war ich fast mein ganzes Leben lang der Anmache der Männer im Job und auch sonst ausgesetzt. Das gehörte einfach zur Tagesordnung. Hätten wir Mädchen uns beim Chef beschwert, hätte der wahrscheinlich nur gelacht. Also nahm ich das lächelnd hin und setzte einen entsprechenden Spruch hinterher. Schlußendlich ist mir nie etwas getan worden, was ich nicht wollte. Es ist mir immer gelungen, Übergriffe nachhaltig abzuwehren. Mit Selbstbewußtsein, auch wenn es oft gespielt war, machte ich wohl nie den Eindruck eines potentiellen Opfers. Oft spielt ja bei Männern das Machtgefühl eine große Rolle.

Ich weiß, dass nicht alle Frauen so stark sind, weiß ja selbst nicht, was mich hat so werden lassen. Für mich war und ist die Elterngeneration gefragt, den Mädchen den Rücken zu stärken und sie in dem Bewußtsein zu erziehen, dass sie alles sein und alles werden können und mindestens genau so gut sind, wie das andere Geschlecht. Das sie sich nichts gefallen lassen müssen und sich immer wehren sollten. Den Jungen sollten die Eltern beibringen, dass Mädchen ebenbürtig sind und wie sie auf charmante Weise mit dem anderen Geschlecht umgehen. Letzteres gilt gleichermassen für beide Geschlechter, denn es gab und gibt durchaus Mädchen und Frauen, die ihre Grenzen nicht kennen und ihrerseits auch Männer belästigen. Auch das habe ich erlebt.

 

 

3 Kommentare

  • Monika Hönisch

    Ich sehe das so wie meine Vorgängerinnen. Ein NEIN muss akzeptiert werden, das bedarf keiner Diskussion.
    Aber mir kommt häufig der Gedanke, gerade bei Prominenten, ob man sich so wieder ins Gespräch bringen möchte.
    Vielleicht bin ich auch da zu blauäugig, ich musste in meinem Leben noch keine Übergriffe abwehren, hatte immer ein entspanntes Verhältnis zu Männern und Komplimente habe ich immer gerne angenommen.

  • Bri vom Meer

    Liebe Karin, liebe Leserinnen,
    ich hätte da mal ein paar Fragen :
    1. Warum beschweren sich heutige Stars über Vorfälle von vor 20/30 Jahren ?
    Warum haben sie das nicht damals oder auf jeden Fall deutlich zeitnäher getan ?
    2. Keine Frau MUSS mit einem Filmboss ins Bett gehen. Sie MÜSSTE dann nur auf die Rolle verzichten, wenn das die Einstellungsbedingung ist.Oder ?
    3. Du beschreibst “unsere Zeit” sehr richtig und das war natürlich frauenverachtend, keine Frage. Aber ist das Pendel heute nicht zu weit zur Gegenseite ausgeschlagen ? Mann macht ein nettes Kompliment und bestimmte Frauen schreien hysterisch auf” Sexismus”. Oje , mir scheint, wir haben noch einen weiten Weg vor uns , um zu einem fröhlichen und entspannten Mann-Frau-Verhältnis zu kommen.
    Liebe Grüße, Bri vom Meer

    • Karin Austmeyer

      Danke für deinen ausführlichen Kommentar. Dann will ich mal antworten:
      Zu 1. Das verstehe ich allerdings auch nicht. Mir geht es mehr um die “normalen” Frauen.
      zu 2. Du hast recht, Frau muß garnichts. Mir scheint, die Karriere war da wichtiger.
      Zu 3. Ja, es war manchmal frauenverachtend, nur haben wir das teilweise gar nicht gemerkt. Wir kannten es auch nicht anders. Heute ist das Pendel zu weit zur anderen Seite ausgeschlagen. Manche Männer trauen sich schon nicht mehr zu flirten. Ich habe ein kolligiales Armummichlegen nie als Belästigung empfunden und wenn es mir nicht passte, habe ich das gesagt. Ich hatte mein Leben lang einen relativ entspannten Umgang mit Männern und, auch wenn mich jetzt so manche Frau steinigen möchte, wenn wir Frauen einen tiefen Ausschnitt tragen und die Männer wagen mal einen Blick, ich kanns verstehen. Also nicht gleich schreien. Belästigung ist es für mich erst dann, wenn mein NEIN nicht akzeptiert wird.

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