So lebten meine Großeltern

Um die vorletzte Jahrhundertwende geboren, haben sie während ihres Lebens zwei Weltkriege erlebt. Nicht gerade beneidenswert, wenn das Leben fast nur aus Angst, Leid und Hunger bestanden hat. Leider hat keiner von ihnen ein so hohes Alter erreicht, dass ich bei ihrem Tod alt genug gewesen wäre Fragen zu stellen, die mich heute brennend interessieren würden.

Die Mutter meiner Mutter war meine Lieblingsoma. Sie war ein sanfter, gutmütiger und, im Rahmen ihrer bescheidenen Möglichkeiten, großzügiger Mensch. Oma Schmitz (alter kölscher Adel), wie sie genannt wurde, wurde 1904 in ärmlichen Verhältnissen geboren. Sie hatte 13 Geschwister, was zu dieser Zeit, ohne Verhütungsmittel, ganz normal war. Einen Beruf erlernt hatte sie nicht. Sie bekam sehr früh eine uneheliche Tochter, zu dieser Zeit für eine Frau eine schreckliche Schande. Über die Umstände weiß ich leider nichts, nur dass meine Tante im Heim großgeworden ist. Von den Eltern verstossen, nahm meine Oma eine Stelle als Dienstmädchen an und verliebte sich in den Sohn des Hauses. Es kam wie es kommen musste, sie wurde mit meiner Mutter schwanger. Für ihren Dienstherren kam diese Verbindung nicht in Frage und meine Oma verlor ihre Arbeit.

So war das damals, die Frauen hatten immer das Nachsehen. Ob sie Unterhalt bekommen hat, weiß ich leider nicht. Auch meine Mutter musste zunächst einmal in ein Kinderheim. Jetzt wollten Omas Eltern erst recht nichts mehr mit ihrer Tochter zu tun haben. So stand sie ganz allein im Leben. Staatliche Unterstützung gab es zu dieser Zeit noch nicht. Also musste sie weiter als Dienstbotin ihren Lebensunterhalt bestreiten. Einige Jahre später hatte Oma dann endlich einmal ein bißchen Glück. Sie lernte einen netten Mann kennen und heiratete. Er adoptierte dann auch meine Mutter, die zu dieser Zeit ungefähr sieben Jahr alt gewesen ist. Ihre Schwester Maria blieb im Heim. Warum konnte ich nie in Erfahrung bringen. Meine Oma hat nie darüber gesprochen und deshalb habe ich die Vermutung, das Kind könnte aus einer Vergewaltigung stammen. Das wäre der einzige Grund, den ich mir vorstellen könnte, warum diese liebevolle Frau dieses Kind nicht lieben konnte?

Meine Großeltern wohnten in Köln-Nippes, heute ein begehrtes Viertel, damals eher Heimat für Arbeiterfamilien. Dort hatten Sie eine kleine Zweizimmerwohnung ohne Küche und ohne Bad. Die Zimmer waren winzig. Im Schlafzimmer standen zwei Betten, 2 Nachtkonsolen und ein Einmeter-Kleiderschrank. Damit war das Zimmer komplett voll. Das zweite Zimmer bestand aus einem breitem Kohleofen, 2 kleinen Schränken, einem Sofa, einem Tisch und 4 Stühlen. In einer Ecke befand sich ein Waschbecken mit kaltem Wasser. Wollte man warmes Wasser haben, mußte dieses auf dem Herd erhitzt werden.

An irgendwelche elektrischen Geräte kann ich mich nicht erinnern. Gewaschen wurde noch im Zuber mit Waschbrett, eine schwere Arbeit. Gebügelt hat Oma mit einem schweren Eisenbügeleisen, das ebenfalls auf dem Ofen erhitzt wurde. Auf dem Gemeinschaftsflur gab es eine Toilette für 2 Familien. Trotz der beengten Verhältnisse war ich dort immer gerne zu Besuch. Ich fand es schön und gemütlich dort. Leider starb meine Oma an einem Gehirnschlag als ich acht Jahre alt war. Sie wurde nur 58 Jahre alt.

Im Vergleich waren die Eltern meines Vaters fast wohlhabend. Sie hatten in Köln-Bilderstöckchen ein kleines Haus. Der Vorort war zur damaligen Zeit noch sehr ländlich, es gab dort fast nur Bauernhöfe. Obwohl meine Eltern bis zu meinem vierten Lebensjahr ebenfalls dort wohnten, habe ich kaum Erinnerung an diese Zeit. Mein Opa starb als ich 5 Jahre alt war an Leukämie. Auch er wurde nur 58 Jahre alt. Meine Oma verkaufte das Haus und zog in eine nette Neubauwohnung. Leider mochte ich diese Oma, wie auch der Rest der Familie, nicht sonderlich. Sie war streng, ungerecht und redete viel über andere. Immer, wenn ihr etwas nicht passte, simulierte sie einen Herzanfall. Sie allerdings wurde bezeichnender Weise 82 Jahre alt.

Beim Schreiben dieses Beitrages ist mir noch einmal bewußt geworden, wie gut es uns eigentlich heute geht. Aber die Menschen damals waren nicht unglücklich. Sie kannten es ja nicht anders.

 

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