Mein „WTF-Moment“ des Tages…

Titelbild: © chrisdorney – Fotolia.com

 

Meine Schester schrieb diesen Beitrag für Sweet Sixty vor gut 6 Jahren und er ist immer noch aktuell. Lest selbst:

Ach, wie sehr liebe ich es doch, wenn man mir die Welt erklärt. Ein Artikel in myself hat mir ganz klar vor Augen geführt, dass ich meine Lebensjahre in den Vierzigern (bin jetzt 49) total falsch wahrgenommen habe. In Wirklichkeit habe ich nämlich in der Falle gesessen. Und selber nichts davon gemerkt. Da guckt ihr, was?

Zuerst kommen sie mit der Midlife Crisis um die Ecke, bedienen sich der Quelle „wikipedia“ (die haben ja sonst nüscht, da drüben bei der myself) und hauen tüchtig in die Klischeekiste. Genau, Midlife Crisis, das ist doch mal originell!

Wikipedia beschreibt sie als “einen psychischen Zustand der Unsicherheit im Lebensabschnitt von etwa 40 bis Anfang 50”.

Merkwürdig. Die Jahre zwischen 40 und 50 waren für mich ganz fabelhaft. Von Unsicherheit blieb ich von Jahr zu Jahr immer mehr verschont. Viele Fragen, die mich als junge Frau umgetrieben haben, interessieren mich inzwischen nicht mal mehr.

Myself hingegen beschreibt diese „Unsicherheit“ wie folgt:

… mit 40 ist es plötzlich eine schauderhafte Gewissheit. Keine Frau wird dann mehr vom französischen Kellner Mademoiselle genannt, auch nicht aus Versehen. Eine Frau mit 40 ist eine veritable Madame. Und von dieser Madame hatte sie selbst immer eine genaue Vorstellung, wie, wer und wo sie sein sollte. Vielleicht zweifache Mutter, sexy Ehegattin und Top-Anwältin dazu. Oder Bestsellerautorin. Oder Friedensnobelpreisträgerin.

Aber jetzt ist er weg, der Traum von der Hammerkarriere, mit dem man sich jeden mühsamen Umweg und jedes Versagen auf dem Weg zum großen Ziel schönfärben konnte. Die höchste Stufe der Karriereleiter ist erreicht, zumindest nah, und die Million weiterhin fern. Der Traummann ist längst vergeben und die eigene Beziehung? Hat natürlich auch nicht mehr die Temperatur der “Pretty Woman”- Schlussszene. Selbst Yoga-Königinnen merken: Der Busen hängt ein bisschen mehr als früher.

Aha. Es ist also schauderhafte Gewissheit, dass man keine Mademoiselle mehr ist! Na, wenn das die einzige Tragödie ist, die einem im Leben zustößt, dann hat man doch Glück gehabt. Und was die Vorstellungen und Träume betrifft: Die Frauen in meinem Alter, die ich so kenne, sind so ziemlich alle da, wo sie auch sein wollen. Lebendig, interessiert und interessant, in sich ruhend und in sich vertrauend. Sie leben allein oder auch nicht und wenn nicht, trauern sie keinem fiktiven Traummann hinterher, sondern genießen das Leben mit dem Partner an ihrer Seite.

Und ob ein Busen hängt oder nicht, auch das ist der Mehrzahl der Ü40-Frauen herzlich egal. Schönheit und Ausstrahlung bestehen nicht aus einem glatten Gesicht oder stehenden Brüsten. Auch erfüllender Sex hängt weder von Cellulite ab, noch von einer Kleidergröße 36. Im Gegenteil, gerade in unserem Alter entdecken sich viele von uns noch einmal ganz neu und stehen zu ihrem Körper, ihren Wünschen und Fantasien, fordern und nehmen sich, was sie wollen. Wir sind vielleicht nicht perfekt, aber wir sind dankbar für unseren Körper, der uns so viel Wonne schenkt. “Unsicherheit” ist ein Begleit-Rauschen, das wir schon lange nicht mehr hören.

Aber gut, bis dahin bestand der Text in myself ja noch aus dem üblichen oberflächlichem Bla-Bla, das übrig bleibt, wenn einem die Diät- und Enthaarungstipps ausgegangen sind. Aber die nachstehende Zitate haben mich dann wirklich richtig geärgert:

Man nimmt endgültig Abschied von Träumen, die einen das halbe Leben begleitet haben.

und

…Wer akzeptiert, dass es jetzt nicht mehr besser wird…

Jetzt mal ehrlich, was ist denn mit denen los? Das ist so destruktiv, da kann sich ja jede End-Dreißigerin eigentlich nur noch den Strick nehmen. Von so einem hanebüchenen Quatsch bekomme ich Schnappatmung.

Mein Umfeld, in dem sich eine dreistellige Anzahl fantastischer Frauen Ü40 und älter tummelt und meine persönliche Wahrnehmung sind völlig anders. Wir krempeln unser Leben um, beenden lauwarme Beziehungen, machen uns selbständig, starten spannende Projekte, reisen durch die Welt, genießen Sex & Erotik, fangen ganz neu an usw usw. Stillstand sehe ich da bei keiner einzigen und das Aufgeben von Träumen auch nicht. Im Gegenteil. Wir machen alles, was wir uns mit 20 oder 30 verkniffen haben. Mit mehr Leidenschaft und voller Energie.

Denn wir haben den Mut, die Freiheit und das Geld, Träume zu verwirklichen. Im Gegensatz zu vielen zwischen 20 und 40, die ihre Komfortzone nur selten oder gar nicht verlassen. Sei es, dass sie nicht können oder sei es, dass sie nicht wollen.

  • Den Mut – weil uns die Meinung anderer immer weniger kümmert und weil wir in uns selbst vertrauen.
  • Die Freiheit – weil die Kinder groß sind und wir uns von „Pseudo-Belastungen“ inzwischen frei gemacht haben.
  • Das Geld – das in jungen Jahren zu Beginn der beruflichen Laufbahn oder zur Zeit der Familiengründung für die Umsetzung von Träumen einfach zu knapp war.

Viele von uns arbeiten freiberuflich und/oder online. Da spielt es keine Rolle, welches Geburtsjahr im Pass steht. Da zählt nur, was geleistet wird. Und selbst in normalen Arbeitsverhältnissen hat ein Umdenken stattgefunden. Der qualifizierte Nachwuchs fehlt, also werden auch „alte Häsinnen“ gern genommen. Wir sind hochflexibel, denn wir haben die volle Bandbreite von der IBM-Schreibmaschine bis zum Smartphone, nicht nur erlebt, sondern beherrschen sie auch. Wir sind erfahren, uns bringt nichts aus der Ruhe und wir spüren den Sturm schon, bevor sich der erste Wind überhaupt zeigt.

Wir akzeptieren nicht, dass es „jetzt nicht mehr besser wird“. Denn das stimmt ganz einfach nicht. Wir leben sehr oft besser, intensiver, glücklicher, erfüllter und bewusster als vor 10 oder 20 Jahren. Wie schrecklich wäre es, wenn mit 40 alle Träume sinnlos und vorbei wären. Wo der Spaß doch gerade erst richtig los geht!

© stanciuc – Fotolia.com

PS. Nächstes Jahr feiere ich meinen 50. Geburtstag auf Koh Phangan in Thailand. Meine allererste Südostasien-Reise habe ich mit 48 gemacht. Aber davon erzähle ich euch ein anderes Mal.

 

Die Reise ist längst gemacht und inzwischen lebt meine Schwester mit Ehemann in Johannesburg (Südafrika). Die 50 ist längst überschritten und noch immer sind die Träume nicht vorbei. Meine übrigens auch nicht und ich bin immerhin schon 66 Jahre alt.

 

4 Kommentare

  • Anke Hedfeld

    Hoppala, ich vermute, den Beitrag in der Myself hat eine 30jährige Mademoiselle geschrieben und dabei “aus Versehen” den gesamten Frust über ihr eigenes Leben zu Papier gebracht. Nein, tatsächlich, damit kann ich mich auch ganz und gar nicht identifizieren. Ich musste erst 40 werden, bevor mein Leben richtig losging. Und die fabelhafte und spannende Reise ist noch nicht zu Ende. Zum Glück.
    LG Anke

    • Karin Austmeyer

      Ja liebe Anke, auch ich hatte das Gefühl, das mein Leben mit Mitte/Ende 30 erst an Fahrt auf nahm. Heute, mit fast 62, ist dieses Gefühl immer noch nicht vorbei. Irgendwie kann man über den Blödsinn, den so manche Frauenzeitschrift verzapft, nur lachen.

  • Marion (Karins "kleine" Schwester)

    Vielen Dank für deinen netten Kommentar, liebe Jessie. Die 30er Jahre sind auch eine wunderbare Zeit und wegen danach musst du dir wirklich keine Gedanken machen. Alles, was man sein muss, ist gesund und der Rest ist nicht von Zahlen abhängig. 🙂

  • Jessie

    Sehr schön geschrieben liebe Marion. Ich bin zwar erst in 7 Jahren am Feiern meines 40. aber dank deines Beitrages weiß ich zumindest, dass ich noch nicht damit anfangen muss, mir einen Strick zu knüpfen 😉
    Ich bin begeistert, wenn ich Frauen sehe, die selbstbewusst durch ihrLeben gehen und für die Alter nur eine Zahl ist. An diesen Frauen orientiere ich mich und hoffe, dass es mir auch so gelingen mag.

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