Sonntagsfragen an Claudia Gasper

Hallo Claudia, deine Internetseite  www.lebenslaeufe-erzaehledeinegeschichte.de  finde ich wahnsinnig spannend. Du forderst uns auf, unsere Geschichte zu erzählen. Es ist sicher interessant, die Lebensläufe von Menschen zu lesen, die nicht den geraden Weg gehen konnten, zumal ja auch du, bedingt durch deine MS-Erkrankung, nicht das einfachste Leben führen kannst. Um so mehr freue ich mich, dass du dich bereit erklärt hast, bei den Sonntagsfragen mitzumachen. Stelle dich meinen LeserInnen bitte kurz vor:

Ich bin mal positiv, mal negativ, mal voller und mal weniger Hoffnung, mal mehr und mal weniger dankbar für das, was mir im Leben widerfahren ist. Ich bin Mutter, Lebensgefährtin und neugierig auf Menschen.
Ich suche Menschen, die aus ihrer Lebenskrise gestärkt hervorgegangen sind, deren Persönlichkeit gewachsen ist, die vielleicht sogar ganz neue Wege eingeschlagen haben.

 

Wie alt bist du und (auf einer Skala von eins bis hundert) wie alt fühlst du dich?

Ich bin im Mai 57 Jahre alt geworden. An Tagen, an denen meine MS laut mitredet, fühle ich mich wie 100, an anderen Tagen alterslos.

Was fällt dir als erstes an positiven und an negativen Dingen ein, wenn du an Menschen über 60 denkst?

Immer mehr 60-jährige kommen mir wie junge Hüpfer vor. Mich beeindrucken die, die abseits festgezurrter Normen das Leben, worauf sie Lust haben, die sich noch nicht zu alt fühlen, Neues auszuprobieren, die den Mut aufbringen können, neue Wege zu gehen. Die Menschen, die sich zu alt fühlen, um noch eine Veränderung in Angriff zu nehmen, schrecken mich ab. Eigentlich egal wie alt sie sind.

Wie viel davon ist Vermutung oder Vorurteil, Beobachtung oder selbst erlebt?

Von Vermutung kann keine Rede sein, wenn man altersmäßig mitten drin steckt. Deshalb ist mein Bild von 60-jährigen persönliches Erleben sowie Beobachtung.

Was heißt alt werden für dich? Macht es dir Angst?

Alt werden kann Angst machen. Allerdings! Dieses ewige „For ever young“ und ab 50+ gehörst Du zu den Senioren, kann einem schon auf den Senkel gehen. Was mir aber wirklich Angst macht, ist die Tatsache, dass die Zeit rast. Das ist ja wie ein Wimpernschlag! Manchmal macht es mir Angst, eventuell nicht mehr alles zu schaffen, was ich mir noch vorgenommen habe. Die unsägliche Berichterstattung über Pflegenotstand im Alter kannst du dich ja auch nicht wirklich entziehen. Wem gelingt es da, sich nicht in Gedanken ebenfalls körperlich klappernd im Gitterbett mit der Pfanne unterm Hintern liegen zu sehen? Und das kann durchaus auch Angst machen.

Wo siehst du dich nächstes Jahr, in fünf oder in zehn Jahren?

Ich habe zwei Ziele. Ich möchte all die Bücher schreiben, die ich mir feste vorgenommen habe zu schreiben und die als Grobgerüst bereits in meinem Kopf verankert sind. Damit möchte ich erfolgreich werden. Dann möchte ich noch mehr das Gefühl von Freiheit spüren. Dafür stelle ich mir vor, mein Wohnumfeld zu verändern. Nächstes Jahr sehe ich mich mit dem befriedigenden Gefühl, zwei Bücher vollendet zu haben. In fünf Jahren sehe ich mich in einem Wohnmobil, mit dem ich für ein, vielleicht auch zwei oder drei Jahre durch Europa reise. In zehn Jahren möchte ich bekannt sein als Autorin und Rednerin. Mein Thema wird sein: „Lebensläufe – Erzähle deine Geschichte“ – worauf es im Leben ankommt.

Wie viel Erfolg/Erfahrung hattest du bisher damit, dein Leben zu planen, was hat geklappt und was nicht?

Bis zu meinem 56. Lebensjahr habe ich mein Leben in keinster Weise geplant. Leider, muss ich heute sagen. Wenn ich eines definitiv anders machen würde, dann wäre es das. Denn wohin soll einen das Universum führen, wenn es keine Ahnung hat, wohin es gehen soll? Aber besser eine späte Erkenntnis, als gar keine. Ich kann nur eins sagen: das Buch Lebensläufe ist ein unumstößliches Ziel, welches ich Anfang diesen Jahres formuliert habe. Welcher Erfolg sich schon bis hierher eingestellt hat, ist unbeschreiblich. Also frag mich noch mal in ein paar Jahren, wie viel Erfolg ich hatte, mein Leben zu planen und was davon geklappt hat.

Gibt es deiner Meinung nach Tabuthemen rund um ältere Menschen und was wäre für dich interessant zu erfahren?

Es gibt keine Tabuthemen. Eigentlich! Ich weiß, dass ältere und sogar alte Menschen genau die Gefühle haben und die Emotionen spüren, die auch deutlich jüngere Menschen ausmachen. Auch in 100-jährigen steckt noch das kleine Kind. Es ist nur so schade, dass in unserer Gesellschaft wirklich alte Menschen oft als „bedürfnislose Wesen“ angesehen werden.Für das Projekt Lebensläufe erzählt mir gerade eine 94-jährige ihre Lebensgeschichte. Eigentlich gibt es keine Tabuthemen, sage ich. Aber ich muss zugeben, dass es mir doch schwer fällt, Frau B. auf gewisse Themen anzusprechen, z.B. auf Sexualität und auf das Sterben.

Warum, glaubst du, bleiben wir heute so viel jünger als frühere Generationen? Oder ist das nur ein Gerücht?

Die Möglichkeiten sind einfach heute weiter, offener und vielfältiger. Wo man früher sofort als bekloppt erlebt worden wäre, geht man heute als stinknormal durch. Man hat also mehr Gestaltungsmöglichkeiten, sein Leben zu stricken. Ich bin überzeugt davon, dass das der Grund dafür ist, dass Altersgrenzen aufweichen. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass ein alter Mensch früher sich genauso viel an Jahren jünger gefühlt hat, wie ein gleichaltriger Mensch heute.

Fühlst du dich angesprochen, wenn Werbung auf deine angebliche “Altersgruppe” zugeschnitten ist oder ist das eher lustig? Wie müsste Werbung aussehen, damit sie wirklich dich betrifft?

Da fühle ich mich in keinster Weise angesprochen. Und sollte eine Werbung altersgerecht zugeschnitten sein, warum denn nicht?

Was tust du konkret, um jung zu bleiben?

Meinst Du rein äußerlich? Ehrlicherweise: gar nichts! Ich bemühe mich, tolerant und offen zu bleiben. Ich habe auch das Alter überschritten, wo ich noch ein „X für ein U“ vormachen konnte J „Et is wie et is“, sagt der Kölner. Do kannste luure und maache…

Vielen Dank für deine Offenheit. Ich wünsche dir so sehr, dass du deine Ziele schaffst und den Erfolg damit hast, der dir zu steht.

… und frag uns ruhig auch nach Sexualität und Tod. Beides gehört nun einmal zu unserem Leben.

 

Ein Kommentar

  • Gabriele - Gabriele immerschön.

    Was für ein interessantes Interview, liebe Karin. Ganz besonders gut kann ich verstehen, dass Claudia die Zeit als einen rasenden Schnellzug empfindet und hofft, noch alles zu schaffen, was sie sich vorgenommen hat. Sie rast wirklich! Aber wie schön, dass wir mehr Pläne als Zeit haben, oder?

    Liebe Grüße und ein Kompliment auch an Claudia
    Gabriele

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