Das Ding ist doch weg!

„Das Ding“ ist in meinem Fall, das im September letzten Jahres diagnostizierte Stimmlippenkarzinom. Im Moment mache ich verstärkt, die Erfahrung, dass jeder denkt, ich wäre jetzt gesund, aber leider fühle ich mich nicht so.

Mein ganzes Leben musste ich stark sein und war es auch und so sah mich auch meine Umwelt: Stark, mutig, praktisch und nicht unter zu kriegen. Das Schlimme ist, ich erwarte all das immer noch von mir selbst, aber mein Körper sagt mir etwas anderes. In meinem Kopf ist er nicht weg, der Krebs. Bei dieser Art von Krebs ist die Gefahr, dass er wiederkommt mit 20 % relativ hoch. Aus diesem Grund werde ich auch ziemlich engmaschig, alle 3 Monate, kontrolliert. Nun habe ich das Gefühl, das die Gefahr wie ein dunkler Schleier über meiner Seele hängt.

Arbeiten kann ich nicht wirklich. Von meiner fast nicht vorhandenen Stimme ganz abgesehen, bin nach 2 Stunden bereits erschöpft. Meine Gedanken schweifen ab und meine Konzentration läßt nach. Nach den 3 Operationen innerhalb von 3 Monaten bin ich nur noch müde. Gegen diese Art von Müdigkeit, hilft mir schlafen nicht wirklich. Nach 47 Jahren Vollzeitarbeit, der Pflege meines Mannes und seinem Tod im letzten Jahr, Wohnungsauflösung und Umzug nach Köln, hat mir die Krebsdiagnose den Rest gegeben. Nein, ich fühle mich nicht gesund und schäme mich fast dafür. Ist das denn normal? Zum ersten Mal in meinem Leben horche ich ständig in mich hinein, nehme jedes Zwicken in meinem Körper wahr und habe Angst es könnte ja auch an anderen Stellen meines Körpers Krebs entstehen.

Jammern ist nicht mein Ding und ich tue es auch nicht. Ich würde nur gerne wissen, ob es anderen mit Krebsdiagnose ebenso geht.

Menschen und Beziehungen haben schon immer in meinem Leben eine grosse Rolle gespielt, jetzt sind sie mir wichtiger denn je. Auch wenn ich nach jeder Unternehmung erst einmal einen Tag Pause brauche, möchte ich nicht auf ein schönes Treffen verzichten. Meine große Hoffnung ist, einfach ganz normal alt zu werden und die Angst vor dem Krebs irgendwann zu überwinden.

14 Kommentare

  • Marie

    Du hast ja so recht. Auch mich hatte es Ende August erwischt. Am Auge. Heute nach drei Operationen höre ich auch oft. „Man sieht ja gar nichts mehr…., also gesund. Ich empfinde wie du aber den Kopf stecken wir nicht in den Sand, gelle?
    Gruß, Marie

  • Maria

    Liebe Karin,
    nur dir zuliebe mache ich jetzt hier eine Ausnahme… denn eigentlich will und wollte ich es nicht (mehr) thematisieren. Nicht drüber nachdenken, es am besten einfach nicht mehr stattfinden lassen. Ja, auch ich war Krebspatientin, gehe jetzt ohne Rückfälle ins fünfte Jahr – und in manchen Kreisen (für Krankenkassen zum Beispiel) giltst du dann wieder als gesund. Doch es ist immer wie dieses verflixte Damoklesschwert, das dir an einem seidenen Faden über dem Kopfende des Bettes hängt, das du immer anstarren musst…. Nein: Bitte, sieh nicht hin! Denk nicht dran! Lenk dich ab! Mach was anderes, leg dir ein neues Hobby zu, schmus mit deinem Kater, was weiß ich….

    Reha ist da ein sehr guter Anfang. Und mit etwas Glück findest du dort was, das du mit nach Hause nehmen kannst, eine Yogaübung, Qi Gong oder was ganz anderes… Mit Sicherheit nette Kontakte und ein Stückchen „neue alte Normalität“ – die trotzdem immer anders sein wird als früher. Und das muss auch so sein. Denn auch wenn du dich jetzt (noch) ein Stückchen kleiner/schlechter fühlst als vorher, in Wirklichkeit ist es doch so: Du hast nicht nur diese, sondern viele riesige Herausforderungen bewältigt, du hast Kraft, Mut und Stärke gezeigt… (Jaja, ich weiß: Es fällt schwer, das selbst zu sehen… Aber glaub mir bitte einfach: Es ist so!)

    Und dass alle denken, man sei ganz schnell wieder gesund, dass das irritierend und schwierig ist, dass man sich denkt: Warum hat mir das niemand vorher gesagt?, das alles ging und geht mir manchmal sogar noch immer ganz genauso. Schon oft dachte ich, das erlebe nur ich so, ich bin überempfindlich, selber schuld, was weiß denn ich… Aber so ist das nicht!!! Ich behaupte: Das geht allen Betroffenen so. Ich hab dann ganz einfach für mich die strikte Entscheidung getroffen, so wenig wie möglich daran zu denken, so gut wie nie drüber zu reden und am besten gar nie davon zu schreiben… Ganz einfach, weil ich sonst nie aus diesem Tunnel rausgefunden hätte…. Das muss jede/r für sich selbst entscheiden. Aber glaub mir: Du bist nicht allein!

    Ich drück dich, du Liebe! Hab ein bisschen Geduld mit dir selbst!
    Ganz herzlich
    Maria

    • Karin Austmeyer

      Liebe Maria, deine Ausnahme nur für mich ehrt mich sehr. Vielen Dank, dass du mir deine Erfahrungen mitgeteilt hast. Ich weiß, ich kriege das irgendwann hin und es gibt so viele liebe Menschen, die für mich da sind.
      Bei den meisten Krebsarten kriegen die Menschen um einen herum das garnicht so mit. Aber, wie mein Arzt gestern zu mir sagte: „Bei Ihnen ist das Problem ja die Stimme, die nicht im entferntesten etwas mit der zuvor zu tun hat“. Selbst wenn ich einmal nicht daran denke, mit meiner Schwester, Freundin oder wem auch immer durch die Geschäfte laufe, jeder spricht mich an. „Oh, sie sind aber schlimm erkältet“ oder „Sie sind aber heiser“ und bummms, ist er wieder da in meinem Kopf … der Krebs. Auch daran muß ich mich gewöhnen, weil es nicht erheblich besser werden wird. Ist ja alles noch frisch, aber irgendwann kriege ich das bestimmt hin.
      Nochmals lieben Dank und auch von mir eine Umarmung.
      Karin

  • Birgit

    Liebe Karin,
    dein offener, ehrlicher Bericht über deine Krankheit hat mich betroffen gemacht. Ich habe keine Krankheit, keinen Krebs. Aber ich habe bei meiner Kusine miterlebt, wie schlimm belastend diese Krankheit ist, auch wenn man schon als „geheilt“ gilt. Ich wünsche Dir viel Kraft und Vertrauen in das Gute. Lasse nicht zu, dass die Krankheit dein Leben derart überschattet, dass du keine Freude und klein Glück mehr empfindest. Alles Liebe und Gute für Dich.
    Birgit

  • Herbstbeauty

    Das Leben ist oft nicht fair. Ich wünsche Dir Mut und viel Freude bei den Unternehmungen mit Freunden und Bekannten. Manchmal braucht es viel Zeit bis man wieder richtig fit ist.

    Liebe Grüße

  • Martina Rodatz

    Liebe Karin,
    auch ich gehöre zu den stillen Leserinnen und dies seit ca. 5 Monaten.
    Mich bewegt dein Blog besonders, da
    auch ich ü. 60 bin und mich eigentlich noch lange nicht so alt fühle.
    Auch ich musste immer stark sein und habe dies immer von mir selber verlangt
    Auch ich habe meine große Liebe vor Kurzem (Januar 2016) an den Krebs verloren und vor 1 1/2 Monaten meine Mutter.
    Auch wir dürfen schwach sein, Zweifel haben, traurig sein und eigentlich ist es nicht verwunderlich wenn wir „in die Knie gehen“ nachdem wir so lange stark waren.
    Auch wir dürfen Angst haben und Sorgen auf einmal nicht mehr wie gewohnt funktionieren zu können.
    Wenn wir uns dies genehmigen und zulassen schwach sein zu dürfen, erwächst daraus eine neue Kraft, die uns die Zeiten der Schwäche zu überstehen lässt.
    DU bist nicht allein – ich schicke dir eine große Portion Mitgefühl und ich bin überzeugt davon dass es nach jedem durchschrittenen Tal wieder bergauf geht.

    Alles Liebe Tina

    • Karin Austmeyer

      Ach Martina, wie lieb von dir. Ich hätte nie gedacht, wieviele tolle Menschen man über das Internet kennenlernen kann. Ich grüße dich ganz herzlich und wünsche auch dir alles Liebe.

  • Mme Lejeune

    Liebe Karin, ich bin zwar nur stille Leserin deine Blogs … aber nun melde ich mich einfach mal bei dir und möchte dir ein wenig Mut zusprechen.
    Die Umwelt geht manchmal wirklich unfair mit uns um, nur ganz selten kommte wirklich eine ehrliche Frage nach dem „wie geht es dir“. Die Erwartungen zu funktionieren sind immer da ….
    Ich wünsche dir ganz viel Kraft und Zuversicht, nimm dir doch eine Auszeit (REHA oder so ähnlich).

    Liebe Grüße Claudia

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