1956 bis 1960 – Kindheit im Nachkriegs-Köln

Naturgemäß habe ich an meine ersten Lebensjahre wenig bis gar keine Erinnerung. Mein Gedächtnis, wenn auch Anfangs noch recht lückenhaft, setzt ungefähr ab meinem 4. Lebensjahr ein.

Die erste wirkliche Erinnerung setzt ein mit unserem Umzug vom Vorort Bilderstöckchen in die Kölner Innenstadt. Damals gab es noch Zuteilungen von Wohnraum, das heißt, man musste zum Wohnungsamt und dann abwarten. Durch den Krieg war Köln ganz besonders zerstört (siehe Bild oben) und der Wiederaufbau ging nicht so schnell voran, wie Wohnungen benötigt wurden.

Mein Vater war Rußland-Spätheimkehrer. Diese Tatsache war ein Grund, dass meine Eltern etwas bevorzugt eine neue Wohnung bekammen. 52 qm, 2 Zimmer, Neubau machten meine Eltern zu den glücklichsten Menschen der Welt.

Klein Karin mit Liesel (5 Jahre älter als ich) kurz nach unserem Einzug.

 

Meine Kindheit verlief sehr glücklich. Alle Kinder im Haus waren, mit wenigen Ausnahmen noch klein und so hatten wir immer jemanden zum Spielen. Kindergärten gab es so gut wie garnicht und wir vermißten Sie auch nicht. Wir durften auf dem Hof und bei schlechtem Wetter auch im Hausflur spielen, bauten uns Zelte aus Betttüchern, spielten Vater-Mutter-Kind. Auch die Straßen waren bei Weitem nicht so gefährlich wie heute. Meine Mutter schickte mich alleine zum Einkaufen. Um die Ecke gab es eine Glaserei. Von den Besitzern bekam ich immer Fensterkitt zum Spielen – ein guter Ersatz für Knetgummi. Ich darf nicht darüber nachdenken, ob der damals nicht giftig war.

Die kleinen „Tante-Emma-Läden“ hatten noch die meisten Dinge lose im Verkauf. Dort standen Fässer mit eingelegten Gurken oder Sauerkraut und auch die Milch wurde in einer mitgebrachten Kanne nach Hause getragen. Das ist genau das, wonach man sich heute zurücksehnt.

Mein Vater war Fernfahrer und nahm uns ab und zu auf die süddeutsche Tour mit. Das war einfach wunderbar. Ich habe es geliebt, mit meinem Papa unterwegs zu sein und hinten in der Koje zu schlafen. Überhaupt war ich ein grosses Papa-Kind. Wenn er unterwegs war, meist von Sonntag-Nacht bis Freitagaben oder Samstagmittag, hatte ich große Sehnsucht.

Ich bin mit viel Musik groß geworden. Meine Mutter liebte Schlager und Operette. Das Radio lief den ganzen Tag. Heute noch kann ich die meisten Lieder aus dieser Zeit mitsingen.

Freitags besuchten meine Mutter und ich immer meine Lieblingsoma in Köln-Nippes. Dort gab es immer Gerstensuppe, die ich heute allerdings nicht mehr ausstehen kann, aber damals schmeckte sie einfach wunderbar. Meine schönste Beschäftigung dort war das Speilen mit Omas Knopfkiste. Heute unvorstellbar bzw. vielleicht versucht es niemand mehr und die Kinder heute hätten genauso viel Freude damit.

Die wunderbarste Zeit des Jahres war die Weihnachtszeit. Papa war zu Hause und spielte das Christkind. Mama und ich fuhren nach Nippes und holten meine Großeltern ab. Wenn wir dann nach Hause kamen, war das Christkind schon da gewesen. Es war einfach toll und ein bißchen vermisse ich diese Zeiten heute noch.

Wir lebten bescheiden aber frei und glücklich. Vielleicht glücklicher als die Kinder heute. Wir kannten keinen Neid, denn alle hatten in dieser Zeit nicht viel. Es ging langsam aufwärts und das war wunderbar mitzuerleben.

Wie habt ihr diese Zeiten erlebt liebe Leserinnen und Leser?


Mode

Die Frauen, deren Alltag mehr mit Arbeit als mit Mode ausgefüllt war, hatten dennoch – oder gerade deswegen – großes Interesse an den Bekleidungstrends ihrer Zeit. Den Luxus, sich auf dem Laufenden zu halten, gönnten sich die meisten. Doch mit der Realisierung im Alltag blieben sie hinter den neuen Kollektionen zurück.

Topmodisch waren:

1956

  • der Petticoat
  • Caprihosen
  • Hemdblusenkleider aus Perlon und Popeline
  • das Nikituch, ein Accessoire, auf das kein Mädchen verzichten wollte.
  • Jeans waren sehr gefragt, auch Cowboy-Hosen machten die Lässigkeit zur schwarzen Lederjacke komplett.
  • Ein leichtes Oberteil, das kaum den Po bedeckte, Wurde in Kombination mit einem neckischen Höschen als „Baby Doll“ schnell zur angesagten Nacht-Mode.

1957

  • spitze Lederstiefeletten und Lederjacke für die Jungs
  • Sackkleider mit Raglanärmeln und runden Schultern
  • Ballonröcke
  • Pferdeschwanz und immer noch der Petticoat
  • Wickelröcke zu Caprihosen
  • Nylonhemden

1958

  • trapezförmige Kleider, die gerade mal bis zum Knie gingen
  • Empire-Kleider
  • Blousons

1959

  • der Doppelrock – ein unterer, enger Rock über den ein etwas weiterer Rock getragen wurde
  • Kostüme mit taillenkurzen Jacken
  • jetzt tragen auch junge Mädchen Lederjacken und Jeans

1960

  • schwarze Rollkragenpullover für Männer
  • Etuikleider ohne Kragen
  • große Knöpfe an Kleidern und Jacken
  • Pepita und Glencheck Muster
  • Tulpenröcke
  • lange Perlenketten
  • Immer noch Kleider mit Petticoat und dazu ein Pferdeschwanz für die jungen Damen

Musik

Das waren die Hits der Jahre 1956 bis 1960

Bill Haley & His Comets – Rock Around The Clock
Elvis Presley – I Want You, I Need You, I Love You
Fats Domino – Blueberry Hil

Geschwister Fahrnberger – Das Echo vom Königssee
Peter Alexander & Catarina Valente – Sing Baby Sing
Peter Alexander – Der Mond hält seine Wacht

Harry Belafonte – Banana Boat Song
Little Richard – Long Tall Sally
Frankie Vaughan – Garden Of Eden

Gitta Lind – Weißer Holunder
Freddy Quinn – Heimatlos
Margot Eskens – Cindy oh Cindy

Louis Prima – Buona Sera
Mitch Miller – Bridge Over The River Kwai March
Fred Bertelmann – Der lachende Vagabund
Peter Kraus – O Baby mach dich schön
Caterina Valente – Spiel noch einmal für mich
Willy Hagara – Casetta in Canada

Nilsen Brothers – Tom Dooley
Dalida – Am Tag, als der Regen kam
Hazy Osterwald – Kriminal Tango
Hans Blum – Charly Brown
Freddy Quinn – Die Gitarre und das Meer

Elvis Presley – It’s Now Or Never
Drifters – Save The Last Dance For Me
Elvis Presley – Stuck On You

Lolita – Seemann, Deine Heimat Ist Das Meer
Edith Piaf – Milord
Freddy Quinn – Unter fremden Stern

Was sonst interessant ist:

1956

  • Auf Initiative des sowjetischen Parteichefs Nikita Chruschtschow begann in der UdSSR der Prozess der Entstalinisierung. Die Verbrechen, die in der diktatorischen Ära unter Stalin begangen worden waren, sollten geahndet werden. Nach außen vertrat das Land die Politik friedlicher Koexistenz. Innenpolitisch wurden demokratische Bestrebungen im Keim erstickt.
  • In der georgischen Hauptstadt Tiflis kam es zu einem Massaker, bei dem die Armee eine hauptsächlich aus Schülern und Studenten bestehende Demonstration niederschlug.
  • Auch in Polen wurde ein Aufstand niedergeschlagen. Arbeiter waren wegen der miserablen Versorgung und der anhaltenden Mangelwirtschaft auf die Straße gegangen. Die polnische Armee ging gegen ihre Landsleute brutal vor und beendete den Aufstand.
  • Auch in Ungarn erhoben sich die Menschen gegen die kommunistische Herrschaft und die Unterdrückung durch die sowjetische Besatzung. Es kam zu einem Blutbad, das etwa eine Woche dauerte. Der Volksaufstand in Ungarn wurde durch die Rote Armee und den Einsatz von Panzern niedergeschlagen. Er forderte mehr als 2500 Opfer seitens der ungarischen Bevölkerung.
  • In der Bundesrepublik herrschte inzwischen ein Mangel an Arbeitskräften. Um das Wirtschaftswunder weiter voran zu bringen, mussten ausländische Arbeiter angeworben werden. Die ersten Gastarbeiter kamen aus Italien und brachten ihre mediterrane Lebensart mit. Der befristete Arbeitsaufenthalt war allerdings unrealistisch. Die Familien folgten und blieben.
  • Das Fürstentum Monaco sorgte für positivere Schlagzeilen. Fürst Rainier III. heiratete die amerikanischen Schauspielerin Grace Kelly.
  • In Wien fand der erste Opernball nach dem Zweiten Weltkrieg statt.

1957

  • Die Konkurrenz zwischen den Großmächten gewann an Brisanz, als die Sowjetunion nicht nur mit dem Start der ersten Interkontinentalrakete aufwartete, sondern auch den ersten Satelliten namens „Sputnik“ ins All schickte. Mit diesem sogenannten Sputnikschock löste sie den Wettlauf um wissenschaftliche Errungenschaften aus, der stellvertretend für den politischen Machtkampf ausgetragen wurde. Während die UdSSR weiter ihren Kurs der friedlichen Koexistenz vertrat, argwöhnten die USA bei allen Bestrebungen des Ostblocks eine kommunistische Unterwanderung, wie sie in der Eisenhower-Doktrin definiert worden war und wogegen sie massiv vorgingen.
  • Die DDR hatte mit einer beständigen Auswanderungswelle zu kämpfen, durch die sie wertvolle Arbeitskräfte verlor. Um dem entgegen zu wirken, wurde ein ungesetzliches Verlassen des Landes unter Strafe gestellt. Das Wort „Republikflucht“ war geboren. Es konnte die Menschen jedoch nicht derart schrecken, dass sie nicht weiterhin zahlreich in den Westen flüchteten, wo sie die Möglichkeit für ein freiheitlich-demokratisches Leben sahen.
  • Die USA konnten mit dem Film „Die zwölf Geschworenen“, einem erstklassigen Justizdrama mit Henry Fonda, einen Welterfolg erspielen. Der Film ist bis heute ein Klassiker. Und das eigens zur Weltausstellung in Brüssel erbaute Atomium wurde zum Wahrzeichen der belgischen Hauptstadt.

1958

  • Was in der Bundesrepublik bereits 1950 vollzogen worden war, erfolgte nun auch in der DDR: Die Lebensmittelkarten wurden abgeschafft.
  • Von einem Wirtschaftswunder konnte jedoch keine Rede sein. Die Weltwirtschaft erlebte unterdessen eine Rezession, die erste nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Wirtschaft der BRD konnte davon nicht sonderlich erschüttert werden. Sie blieb stabil im Gegensatz zur Wirtschaft in den USA.
  • In Ungarn wurden in diesem Jahr die führenden Köpfe des Volksaufstandes hingerichtet. Dem Urteil ging ein spektakulärer Schauprozess voraus.
  • Die Sowjetunion manifestierte ihre Ansprüche auf die Stadt Berlin in dem sogenannten Berlin-Ultimatum an die westlichen Besatzungsmächte, das strikt abgelehnt wurde.
  • Der Konkurrenzkampf um die Vormachtstellung in der Raumfahrt, den die UdSSR mit dem ersten Sputnik ausgelöst hatte, gipfelte in den USA mit der Gründung der Raumfahrtbehörde NASA am 29. Juli.
  • In der Bundesrepublik wurde der Rock ’n Roll-Sänger Elvis Presley mit einem großen Medienrummel empfangen. Er war gekommen, um seinen Wehrdienst bei den stationierten Kräften der US-Armee abzuleisten und wurde als Star begrüßt. Hierzulande war er längst eine Kultpersönlichkeit.
  • Der englische Fußballmeister Manchester United hatte den Tod von acht seiner Spieler zu beklagen, die auf tragische Weise beim Absturz eines Flugzeuges über München ums Leben kamen. Insgesamt starben 23 Insassen, nachdem die Maschine von der Startbahn in München-Riem abgekommen war.
  • Artur Fischer aus Tummlingen im Kreis Freudenstadt erfand den S-Dübel der auch heute noch unter dem Namen Fischerdübel bekannt ist.

1959

  • Das Nachrichten wurden weltpolitisch u. a. von den Ereignissen auf Kuba beherrscht. Der siegreiche Kampf der revolutionären Kräfte, unter denen auch Ernesto „Che“ Guevara war, brachte Fidel Castro an die Macht. Der gestürzte Diktator Fulgencio Batista entging durch seine Flucht in die Dominikanische Republik der Strafe für seine Verbrechen. Durch Korruption hatte er Geld angehäuft. Etwa 40 Millionen Dollar brachte er bei seiner Flucht außer Landes. In Kuba wurden nun marxistische Lehren einer sozialistischer Politik zugrunde gelegt, die Castro über Jahrzehnte beibehielt. Kuba ist noch immer eine sozialistische Republik.
  • Im Jahr 1959 fand in New York die Spielwarenmesse „American Toys Fair“ statt. Die amerikanische Firma Mattel stellte ein Püppchen vor, das seinen Triumphzug in die Welt antrat. Inzwischen hat es schon seit mehreren Generationen die Herzen der Mädchen erobert – die Barbiepuppe.
  • In der deutschen Kinolandschaft gelang dem Kriminalfilm „Der Frosch mit der Maske“ nach dem Roman von Edgar Wallace ebenfalls ein nachhaltiger Erfolg, der eine Krimileidenschaft auslöste, die viele Jahre andauerte.
  • Der Schriftsteller Günter Grass veröffentlichte eines der wichtigsten Werke der Nachkriegsliteratur: „Die Blechtrommel“.
  • Das Jahrzehnt klang weltpolitisch mit einem Hoffnungsschimmer aus. Das sowjetische Staatsoberhaupt Nikita Chruschtschow und der US-Vizepräsident Richard Nixon statteten sich gegenseitig einen Besuch ab, um der Konfrontation im Kalten Krieg keine neue Nahrung zu geben.

1960

  • Für Afrika wurde das Jahr 1960 zu einem besonders guten Jahr. Es bekam den Namen „Afrikajahr“ zu Recht, denn insgesamt 17 afrikanische Staaten konnten die weiße Kolonialherrschaft ablegen und begannen eine unabhängige Existenz.
  • In Greensboro, im US-Bundesstaat North Carolina, wo Schwarze und Weiße noch in Rassentrennung lebten, kam es zu dem weltweit ersten Sitzstreik, mit dem Afroamerikaner dagegen rebellierten, dass Restaurants nach der Hautfarbe ausgewiesen wurden.
  • In der Sowjetunion wurde Leonid Breschnew vom Obersten Sowjet, dem höchsten Staatsorgan der UdSSR, zu dessen Vorsitzenden des Präsidiums gewählt.
  • Das südamerikanische Brasilien leistete sich eine neue Hauptstadt. Nach langer Planung wurde 1960 Brasila gegründet, die Stadt, die mit ihren Monumentalbauten Rio de Janeiro als Hauptstadt ablöste.
  • Der für die Deportation der Juden zuständige SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann wurde in Buenos Aires vom israelischen Geheimdienst Mossad aufgegriffen und nach Israel gebracht, wo ihm der Prozess gemacht wurde.
  • Das amerikanische Kino bekam mit „Psycho“ von Alfred Hitchcock einen Kassenschlager.
  • Bei den Filmfestspielen in Cannes wurde der italienische Regisseur Federico Fellini mit der „Goldenen Palme“ geehrt.
  • 1960 war auch das Geburtsjahr einer Band, die es zu Weltruhm bringen sollte: Im Hamburger Club „Indra“ spielte eine Boygroup erstmals unter dem Namen, den bald jeder kannte: The Beatles.
Quelle: https://www.was-war-wann.de

4 Kommentare

  • Alfred Jahnke

    Macht Freude zu lesen und weckt Erinnerungen, vielen Dank also. Wir zogen 1964 nach Köln in´´ s Severins-Viertel, ich war zehn Jahre jung und entdeckte Köln für mich.
    Trotzdem blieb es eine Liebe auf Distanz: bis heute empfinde ich den Kölner Dialekt als vulgär, besonders in der Karnevalszeit, wenn plötzlich alle Fuzzies auf dem WDR versuchen, Kölsch zu reden.
    Aber vielleicht gewöhne ich mich ja noch daran? Obwohl… besser nicht!

    • Karin Austmeyer

      In Köln geboren, ist und bleibt Köln meine große Liebe. Nicht weil die Stadt so schön ist, dass ist sie nicht, sondern des Lebensgefühls und der Menschen wegen.
      Ja, der Kölner Dialekt kann vulgär klingen. Es kommt immer darauf an, wer ihn spricht. Meine Tante zum Beispiel, hat ein sehr feines Kölsch gesprochen. Trotzdem finde ich es wichtig, dass Dialekte gesprochen werden. Es geht sonst ein Stück Identität verloren.
      Liebe Grüße
      Karin

  • Gabi

    Vielen Dank für diesen schönen, nostalgischen Bericht! Ich bin in den späten 60ern geboren, kann aber einiges von dem, was du schreibst, noch voll und ganz nachvollziehen. Das stundenlange Spielen auf der Straße, die Schlager, die Tante Emma Läden, wo es für einen Groschen die schönsten Süßwaren gab. Danke fürs Erinnern und auch für die zusammengetragenen Fakten! Wie vermisse ich diese besinnliche Ruhe vor Weihnachten, wie du schon schreibst, man hatte nicht viel, aber alles war so bedeutsam und schön. Ich glaube, ich hätte kein Problem damit, die heutige, schnelllebige Zeit einzutauschen gegen das friedliche Gefühl von damals…. lieben Gruß!

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