Sonntagsfragen an Lisa Frohn

Heute stellt sich Lisa Frohn den Sonntagsfragen. Zwei Themen bewegen sie seit einigen Jahren: Alterskultur und Gemeinschaftliches Wohnen. Zum Thema Alterskultur hat sie ein Buch geschrieben mit dem Titel Ran ans Alter! Außerdem bloggt sie unter http://alterskultur.blogspot.de. und unterhält die http://werkstatt-fuer-alterskultur.com.

Zum Thema “Gemeinschaftliches Wohnen” bloggt sie seit diesem Sommer unter http://werkstattfuermiteinander.blogspot.de.

Alles Themen, die uns alle mit zunehmendem Alter immer mehr interessieren. Liebe Lisa:

Wie alt bist du und (auf einer Skala von eins bis hundert) wie alt fühlst du dich?

Ich bin 71, und ich glaube, dass Alter kein Gefühl ist, sondern dass wir bestimmte Gefühle einfach einem Alter zuschreiben, von dem wir glauben, es könne passen. Ich habe übrigens festgestellt, dass es meinen Gefühlen vollkommen egal ist, wie alt ich bin. Wenn sie lebendig sein können und ich sie nicht unterdrücke, sind sie so wie sie immer waren: Gefühle, die mich bewegen und die mir zur Verfügung stehen, mein Leben zu leben.

Was fällt dir als erstes an positiven und an negativen Dingen ein, wenn du an Menschen über 60 denkst?

Was Altern angeht denke ich nicht in Kategorien von positiv und negativ. Ich vermute auch, dass der Schlüssel für glückliches Alt werden darin liegt, auf Bewertungen wie positiv und negativ zu verzichten.

Wie viel davon ist Vermutung oder Vorurteil, Beobachtung oder selbst erlebt?

Meine Antwort beruht auf Beobachtung und selbst erlebtem.

Was heißt älter werden für dich? Macht es dir Angst?

Zur Angst: Ich habe keine Angst vor dem Älterwerden. Was es für mich heißt? Älterwerden ist Biologie und Natur, und zu beidem habe ich ein gutes Verhältnis. Ich bin mir bewusst und vollkommen damit einverstanden, dass ich biologischen und natürlichen Prozessen unterliege. Und dazu gehört der ewige Prozess von Werden und Vergehen. Aber es liegt an mir, so jedenfalls sehe ich es, diesen Prozess zu gestalten, kreativ zu sein und mich um die Kultur zu kümmern, also um das WIE. So kam es dazu, dass ich mit 60 die Werkstatt für Alterskultur gegründet habe.

Wo siehst du dich nächstes Jahr, in fünf oder in zehn Jahren?

Nächstes Jahr wird mein Buch „zusammen wohnen“ veröffentlicht und ich werde einige Workshops in den beiden Themen, die mich bewegen, anbieten. In fünf Jahren werde ich mein drittes Buch schreiben. Worüber das gehen wird, weiß ich jetzt noch nicht. In zehn Jahren werde ich in einem Gemeinschaftlichen Wohnprojekt wohnen und darüber schreiben, wie Leben mit 81 in Gemeinschaft geht. Und wenn ich das hier so schreibe, weiß ich genau, dass alles auch ganz anders kommen kann.

Wie viel Erfolg/Erfahrung hattest du bisher damit, dein Leben zu planen, was hat geklappt und was nicht?

Letzte Woche, im Gespräch mit einer Freundin, die auch über 70 ist, haben wir herausgefunden, dass wir unsere Leben nie geplant haben. Aber wir haben es andererseits auch nicht einfach so laufen lassen. Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich an bestimmten Stellen in meinem Leben Entscheidungen getroffen habe, die große Veränderungen mit sich brachten. Ich würde es aus heutiger Sicht so beschreiben: mich hat etwas von innen heraus in eine Richtung gelenkt, die ich nicht planen konnte, weil mir dazu Informationen gefehlt haben. Ich bin immer meiner Intuition gefolgt. Ich habe gespürt, wo die Kraft lag, und da wollte ich immer hin. Und es ging auch immer um viel Lust auf Neues und Unbekanntes. Auch um Abenteuer. Zuletzt habe ich das mit 64 erlebt. Und es könnte durchaus nochmal passieren. Um so zu leben braucht man Vertrauen ins Leben. Das habe ich. Und seit einiger Zeit schließt dieses Vertrauen ins Leben auch den Tod ein. Denn er spielt als Referenzpunkt mit zunehmendem Alter eine immer größer werdende Rolle.

Gibt es deiner Meinung nach Tabuthemen rund um ältere Menschen und was wäre für dich interessant zu erfahren?

Ich weiß nicht, ob es Tabuthemen gibt. Ich finde, dass wir als alte Menschen die Freiheit haben, mehr als je zuvor, Tabus zu brechen. Aber wie man sich zu Tabus verhält, das hängt von jeder und jedem selbst ab. Ich gehöre zu denen, die gerne Tabus brechen, und das war schon immer so.

Warum, glaubst du, bleiben wir heute so viel jünger als frühere Generationen? Oder ist das nur ein Gerücht?

Ich würde es nicht „jünger“ nennen, sondern ich würde sagen, dass wir heute „anders altern“ als die Generationen vor uns. Die Welt hat sich sehr verändert. Das Internet eröffnet uns Alten ganz neue Möglichkeiten, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Und dann der medizinische Fortschritt und die vielen Jahre Wohlstand und mehr als 70 Jahre ohne Krieg. Das alles bringt ganz andere Lebensbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten hervor.

Fühlst du dich angesprochen, wenn Werbung auf deine angebliche “Altersgruppe” zugeschnitten ist oder ist das eher lustig? Wie müsste Werbung aussehen, damit sie wirklich dich betrifft?

Wenn Werbung gut gemacht ist, kann ich sie interessant finden, egal, um welche Altersgruppe es geht. Werbung mit schönen, schicken, fitten, grauhaarigen Älteren… naja… da denke ich oft, dass diejenigen, die dafür verantwortlich sind, einfach nur auf Klischees zurückgreifen.

Was tust du konkret, um jung zu bleiben?

Jung bleiben ist kein Konzept, was mich interessiert.

Klasse Antwort (die letzte), liebe Lisa.

Seit geraumer Zeit habe ich einen Blog über Wohnformen heute und im Alter in Planung, der wohl spätestens im Januar online gehen wird. Ich sehe dort sehr viele Anknüpfungspunkte zu deiner Arbeit. Vielleicht können wir dann einige gemeinsam machen. Ich würde mich freuen.

 

 

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