Wenn es die anderen nur gut meinen

Kennt ihr das, wenn wir mit zunehmendem Alter immer mehr „gutgemeinte“ Ratschläge bekommen?. Es ist nicht so, als ob ich nicht gerne Rat annehme, vorausgesetzt, ich finde ihn nachdenkenswert und ich habe darum gebeten.

Ungebetener Rat, der an Bevormundung grenzt, nervt mich einfach nur.

Das Problem ist, dass Älterwerden in unserer Gesellschaft „Abbau“ bedeutet. Das heisst, ab einem gewissen Alter können wir nicht mehr alleine leben oder selbst entscheiden. Dann beginnen die Kinder oder andere Verwandte damit, uns aus Sorge bevormunden zu wollen. Ich halte das, sind wir noch geistig fit, für übergriffig. Wir können durchaus selbst entscheiden, wann wir Hilfe benötigen und von wem. Wir können auch beurteilen, wann wir in irgendeine Art von betreutem Wohnen besser aufgehoben sind, als alleine zu Hause. Diese Art von „Fürsorge“ beginnt oft schleichend mit Kleinigkeiten. Auf einmal fühlen sich die Kinder erwachsener als uns und behandeln uns, als wären wir die Kinder. Sicher meinen sie es in den meisten Fällen wirklich gut mit uns und ab und an können wir tatsächlich auch etwas lernen von den jungen Leuten. Sobald es sich aber für uns nach Bevormundung anfühlt, ist sie das auch.

Nun, ich selbst habe keine Kinder. Das befreit mich aber nicht davon, von anderen zurechtgewiesen oder bevormundet zu werden. Besserwisserei ist ja kein Privileg der eigenen Kinder. Da gibt es einige Beispiele:

Als ich meine Krebsdiagnose bekam, und die Operation hinter mir hatte, wollte ich arbeiten. Schließlich war ich selbstständig und ohne Arbeit kein Geld. Ich saß vor meinem PC und brachte kaum etwas zustande. In meinem Kopf kreisten so viele Gedanken, dass ich vollkommen blockiert war. Als ich das einmal thematisierte, bekam ich jede Menge „gute“ Ratschläge, wie ich den Geld verdienen könnte. Dabei fehlte es mir weder an Kunden, noch an Arbeit. Ich fühlte mich angegriffen und unverstanden, also reagierte ich auch so.

Später beantragte ich Schwerbehindertenrente. Die reicht zwar gerade so für meine Unkosten, für mehr aber nicht. Da ich aber noch nicht in Regelaltersrente bin (ich bin jetzt 65 und muß noch acht Monate warten), darf ich nur 490 € dazu verdienen. Alles darüber wird mir zu 40 % auf die Rente angerechnet. Als ich mich einmal darüber beklagte, weil ich das nicht fair finde, bekam ich zur Antwort: „Das ist doch nicht schlimm, dann leg dir das Geld für eine eventuelle Rückzahlung doch zurück.“ Ich verdiene doch dazu, um mir ein klein wenig leisten zu können. Den dummen Spruch hätte es wirklich nicht gebraucht. Das sind nur zwei Beispiele von vielen.

Wir alle sollten uns wehren, wenn uns solche Dinge passieren. Wir werden ja nicht dümmer, nur weil wir älter werden. Wir können noch ganz gut für uns selbst denken. Nur was nicht genutzt wird verkümmert.  Deshalb sollten wir, solange es eben geht, Dinge selber machen, selbst entscheiden. Glücklich sind wir nur dann, wenn wir die Kontrolle über unser Leben behalten und das gilt für jedes Alter.

4 Kommentare

    • Karin Austmeyer

      Danke liebe Ursel. Es war wunderbar, Dich am Wochenende persönlich kennenzulernen. Ich hoffe, wir sehen uns nun öfters.
      Liebe Grüße und einen tollen Wochenanfang
      Karin

  • Gabi

    Ja es ist ein heikles Thema – trotzdem weiss ich was Karin meint – solange man noch fit im Kopf ist kann man auf viele gutgemeinte Ratschläge verzichten. Ich habe auch keine Kinder und mag nicht wenn mir wer sagt ob ich weiss dass ich im Alter mal alleine bin.Ja, das weiß ich! Ich werde mir rechtzeitig darüber Gedanken machen. Meine Antwort darauf ? Ich kann Dir 7 Frauen im Altenheim zeigen die haben mehr als 4 Kinder, die in unmittelbarer Nähe wohnen. Nicht alle Menschen werden Dement, nur alt. Ich habe selber eine Mutter die 85 Jahre alt ist und vergesslich wird. Ich bzw. wir bevormunden sie aber nicht – wir fragen ob ihr dieses oder jenes recht ist. Liebe Grüße Gabi

  • Ute

    Hallo Karin,
    Da hast Du Dir aber ein „heißes“ Thema ausgesucht. Es geht es um die richtige Balance. Es gibt immer mehr an Demenzerkrankte und irgendwann können diese ihr
    Leben nicht mehr alleine regeln. Viele die sich für geistig fit halten können nicht mehr sehen wie verschmutzt Ihre Wohnung ist, oder kaufen täglich 6x Brot, kühlen ihr Essen auf Rädern im August auf dem Balkon. Mühsam von den Angehörigen engagierte Putzhilfen werden in den Urlaub geschickt, Podologen und Physiotherapeuten nicht die Tür geöffnet. Für diese Leute ist alles übergriffig. Sogar der Hinweis auf eine Sehkraftverbesserung durch eine Operation am grauen Star, oder die Anschaffung eines Hörgerätes.
    Es erfordert Fingerspitzengefühl zu entscheiden ab welchem Ausmaß von Verwahrlosung sich die Verwandschaft einschalten sollte. Dies ist dann für den Betroffenen immer übergriffig. Denn überzeugen ist nicht möglich. Natürlich gibt es auch viele Demenzerkrankte die angebotene Hilfe akzeptieren. Ich kenne Beides. Die erstbeschriebene Situation hat mich an meine Grenzen gebracht.
    Ich glaube, dass Übergriffigkeit für jeden Menschen anders zu definieren ist. Vieles wird auch im Rahmen eines Smalltalk einfach, ohne das Gehirn eingeschaltet zu haben, so dahergesagt.
    Viele Grüße
    Ute

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