Sonntagsfragen: Interview mit Renate Stenshorn
Renate Stenshorn ist die Autorin des Reiseblogs Raus ins Leben.Schon in ihrer frühesten Kindheit interessierte sie sich für fremde Kulturen, was 15 Jahre Arbeit in der Touristik und viele Kurz- und Erlebnisreisen nach sich zog. Ihr zweites Hobby ist das Tanzen. Die Freude daran eint uns.
Während des ersten 50plus Bloggertreffens in Köln lernten wir uns kennen. Sie hatte ein Plätzchen auf meiner Couch für die Nacht, die allerdings sehr kurz geraten ist. Wir quatschten bis zum frühen und waren uns auf Anhieb sympatisch. Durch die Beantwortung meiner Interviewfragen habe ich gemerkt, dass wir noch vieles zu besprechen hätten.
Liebe Renate,
Wenn du ans Älterwerden denkst, was ist für dich das Schönste, was das Schlimmste daran und was macht dir am meisten Angst?
Das Schönste, gute Frage! Ich denke, ich bin froh schon so vieles Schöne in der Welt gesehen zu haben. Das Geld, welches ich in meine Reisen gesteckt habe, ist jeden Euro wert. Die Erinnerungen kann mir keiner mehr nehmen. Ich hoffe, auch während meiner Rente noch gesund genug zu sein, um das Leben zu genießen und die geschenkte Freizeit ausnutzen zu können.
Das Schlimmste am Älterwerden ist die Frage, wie viel Zeit bleibt dir noch? Es kann morgen schon vorbei sein. Dann die Krankheiten, geringere Leistungsfähigkeit. Eine meiner größten Ängste sind Krankheiten wie Alzheimer oder Krebs. Mein Vater und Schwiegervater sind an Alzheimer gestorben. Da erlebst du, wie sich ein Mensch über einen längeren Zeitraum verändert, bis er nicht mehr er selbst ist. Der Verlust der geistigen Fähigkeiten ist furchtbar. Zum Ende hin ist das Leben nur noch ein Vegetieren. So möchte ich nicht enden. Da lohnt es sich nicht, alt zu werden. Leider wird man nicht gefragt. Dem Krebs sind Kollegen und Freunde zum Opfer gefallen, viel zu jung, viel zu früh!
Dem Satz „Älter werden ist nichts für Feiglinge“ kann ich viel abgewinnen.
Welche Vorteile siehst du in deinem Alter gegenüber der jungen Generation?
Ich bin in den 60er-Jahren groß geworden. Der Krieg war noch nicht lange vorbei. Das Land war in Aufbruchsstimmung. Langsam ging es aufwärts. Die Menschen konnten sich mehr leisten. Das erste Auto, ein Urlaub in Italien. Wir waren jung und sind ohne die ganze Technik aufgewachsen. Wir brauchten nicht viel und waren kreativ. Es war eine spannende Zeit.
Heute möchte ich nicht mehr jung sein. Es gibt so viele Problemfelder um uns herum. Umweltzerstörung, Abbau vieler Errungenschaften wie Sozialleistungen, zu viele befristete Jobs, kostenlose Praktika, kaum noch Rente. Wie soll man da noch positiv in die Zukunft schauen?
Was war deine schönste und was deine schlimmste Erfahrung in deinem bisherigen Leben?
Meine schönsten Erfahrungen waren Reiseerlebnisse wie kalbende Gletscher, die Erfahrung der Wüste und des Dschungels. Die Welt ist eigentlich wunderschön.
Die schlimmsten Erfahrungen war der Tod naher Angehöriger, besonders meiner Mutter, das Miterleben von schlimmen Krankheiten. Dagegen fallen andere kleinere schlechte Erlebnisse nicht ins Gewicht und werden unerheblich.
Welche Lebensphase hast du als deine glücklichste empfunden?
Ich hatte selten Lebensphasen, die als mir konstant glücklich erschienen. Das Leben war ein ständiges Auf und Ab. Es hielt viele Kämpfe bereit. Allein schon die unstete Arbeitswelt mit befristeten Jobs, Schichtdienst, Insolvenzen oder Fusionen. Ich habe mehrere Ausbildungen absolviert und in vielen völlig unterschiedlichen Branchen gearbeitet. Wenn mir die Arbeit mal richtig gut gefiel, war sie oft schnell wieder vorbei.
Ich suche nicht das große Glück und freue mich über die vielen kleinen glücklichen Momente im Leben.
Was war das schönste Geschenk, das du je bekommen hast?
Im Sinne von Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenken gibt es das eine beste Geschenk nicht. Das schönste Geschenk ist mein Mann, mit dem ich seit 1979 zusammen bin und meine Familie. Ich bin dankbar für die vielen schönen Erlebnisse und die Gesundheit.
Sind deine Lebensträume wahr geworden?
Ich hatte keine großen Lebensträume. Früher wollte ich einen kreativen Beruf ergreifen, am Liebsten etwas mit Zeichnen. Das wurde als Hingespinst bezeichnet und mir ausgeredet. Dann wollte ich ins Reisebüro. Da gab es keine Lehrstellen damals. Ich habe dann versucht, etwas Ähnliches zu machen und eine Lehre als Groß- und Außenhandelskauffrau gemacht. Im Export hast du auch viel mit dem Ausland dazu. Später bin ich dann doch noch in den Tourismus gekommen.
Meinen liebsten Interessen Reisen und Tanzen bin ich immer nachgegangen. Abgesehen von den Urlauben habe ich viele Tanzarten wie Bauchtanz, afrikanischen Tanz, Salsa, afrobrasilianische Samba, Flamenco oder auch Line Dancing probiert. Tanzen macht glücklich!
Wohin möchtest du noch reisen, was noch erleben, was noch lernen?
Die Welt ist noch groß genug. Da gibt es viel zu entdecken. Ich würde gerne noch einige Länder in Asien sehen wie z.B. Laos, Malaysia, China oder Myanmar. Außerdem würde ich gerne in einem Baumhotel, Überwasserbungalow, Höhlenhotel oder sonstigen ungewöhnlichen Unterkünften schlafen.
Erleben – indische Tanzvorführungen in Indien, Batikkurs in Sri Lanka, Tangokurs in Buenos Aires.
Ich bin ein von Grund auf neugieriger Mensch und würde noch gerne so viel lernen. Da wird die Zeit nie reichen! Ich würde gerne Französisch, Spanisch und Arabisch fließend sprechen können. Tango würde mich reizen. Außerdem wollte ich immer Karikaturzeichnen lernen.
Wie stellst du dir dein Leben mit 70, 80 oder älter vor?
Jede Stunde, jedes weitere Lebensjahr ist ein Geschenk. Hoffen wir, dass mein Mann und ich möglichst lange gesund und fit bleiben, auch geistig! Mit 70 möchte ich noch reisen können. Falls ich 80 oder älter werde, hoffe ich, dass ich noch möglichst viel vom Leben mitbekomme und nicht irgendwo vor mich hindämmere.
Hast du Angst vor dem Tod?
In manchen Momenten denke ich, du hast mehr erlebt als manch andere. Wenn es dann aber wirklich hart auf hart kommt, habe ich sicher Angst vor dem Tod. Da steht die Frage im Raum, ist alles vorbei oder kommt danach noch etwas?
Liebe Renate, vielen Dank für das tolle Interview.