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Sein Hobby war das Wohnen – und das mit voller Hingabe

Es gibt Menschen mit Hobbys wie Wandern, Segeln, Töpfern oder Tango und dann gibt es meinen verstorbenen Mann, dessen größtes Hobby, neben dem Kochen, das Wohnen war.

 

Nein, damit meine ich nicht Inneneinrichtung oder Heimwerken, nein, mein Mann hatte eine ganz eigene Interpretation davon, was es heißt, sich daheim zu beschäftigen. Er war ein leidenschaftlicher Bewohner:

  • Seine Bühne: das Wohnzimmer.
  • Sein Thron: die Couch.
  • Seine Disziplin: das Sitzen.

Manchmal saß er so lange auf seinem Platz, dass ich befürchtete, er würde irgendwann mit dem Polster verwachsen. „Ich ruhe mich nur kurz aus“, sagte er oft – ein Satz, der grundsätzlich als Auftakt für einen ausgedehnten Fernsehabend mit geschlossenen Augen diente und wehe, ich schlug vor, wir könnten mal spazieren gehen oder „etwas unternehmen“. Dann sah er mich an wie ein Mensch, dem man vorgeschlagen hatte, freiwillig auf einen Baum zu klettern.

 

Nein, ich will hier nicht weg

Natürlich habe ich ihn trotzdem geliebt, gerade weil er so war und ich weiß, dass viele Männer so sind. Es scheint ihnen in die Gene geschrieben zu sein, dass der Reiz des eigenen Sofas alle Abenteuer der Welt überwiegt. Warum rausgehen, wenn man auch gemütlich liegen kann?

Ich sage das nicht ohne ein Augenzwinkern. Es war manchmal herrlich, wie zufrieden er mit dem Einfachen war, mit einem gemütlichen Kissen, einem Snack und einem Bierchen in Reichweite und irgendetwas, das auf dem Fernseher flackerte. Große Träume? Vielleicht. Aber eher von einem neuen Fernsehprogramm als von einer Reise nach Patagonien.

 

Die Erinnerung verklärt alles

Heute muss ich über vieles schmunzeln, was mich früher manchmal genervt hat. Vielleicht ist das ja die Magie der Erinnerung und wer weiß, vielleicht war er mit seinem Hobby ja ein Pionier. Während andere sich in Action und Abenteuern erschöpften, wusste er, dass das wahre Leben sich in der Komfortzone abspielt – direkt zwischen Couchtisch und Kuscheldecke.

Nun ist er schon 10 Jahre tot und ich denke oft an ihn, wenn ich heute allein auf dem Sofa sitze. Manchmal, nur manchmal, gönne ich mir ein kleines Nickerchen. Dann will ich einfach nur wohnen.

Ich freue mich auf deinen Kommentar.

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