70 Jahre Leben – Die 80er Jahre
Gefühlt ist alles anders
In dieser Zeit änderte sich für mich auch sehr viel. Nach dem Einzug ins Eigenheim mußte natürlich einiges angeschafft werden, also waren wir weiter auf Sparkurs. Neues fürs Haus mußte für meinen Mann immer das Beste vom Besten sein. So hatten wir tatsächlich sogar im Badezimmer Designerleuchten. Natürlich konnten wir, bei solchen Ansprüchen, nicht alles auf einmal anschaffen, so dass anlässlich unserer Einweihung einige Räume mit herunterhängenden Glühbirnen beleuchtet wurden. Uns hat es erst einmal nicht gestört, aber unsere Nachbarn sprachen von „großen Sprüngen mit leerem Beutel“. Egal was die anderen dachten, wir waren zufrieden und auch ein bißchen stolz auf uns. Immerhin waren wir Beide erst anfang Zwanzig. In diesem Alter schaffen es die Wenigsten, sich den Traum vom eigenen Haus zu erfüllen.
Zeit des Abschieds
Wir wohnten gerad einmal 5 Monate im Haus, als die Nachricht kam, dass meine tablettenabhängige Mutter ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Sie hatte jetzt doch einmal zuviel von diesen Drogen genommen. Zwar hatte man ihr rechtzeitig den Magen ausgepumpt, aber ihr geschwächter Körper (sie wog nur noch 45 kg) schaffte es nicht. Sie starb nach kurzer Zeit, zwei Tage vor ihrem 51. Geburtstag. Meine Schwester und ich spürten irgendwie Erleichterung. Mein Vater allerdings war, trotz allem was geschehen war, tieftraurig. Wir Kinder sahen ihn zum ersten Mal in unserem Leben weinen.
Das war das Eine, das Andere war, dass mein Mann sich immer noch einige Eskapaden leistete. Der Höhepunkt war erreicht, als er eine Affaire in der Nachbarschaft begann. Wir hatten uns mit einem netten Paar, das drei Häuser weiter wohnte, angefreundet. Vom Alter her lagen die Beiden zwischen uns und unseren Eltern. Die Tochter des Hauses war lediglich drei Jahre jünger als ich. Mein Mann fing also ein Verhältnis (keinen einmaligen Ausrutscher) mit der, zugegeben sehr attraktiven Dame des Hauses an. Ich, die bis dahin, trotz allem immer treu gewesen war, verliebte mich in ihren Sohn. Das Ganze hatte etwas von einem Kitschroman, aber so kann das Leben eben sein.
Ich hatte mich also in einen neun Jahre jüngeren Mann verliebt, der mich anhimmelte. Wahrscheinlich brauchte ich gerade diese Art Verehrung dringend, um mein angeknackste Selbstbewußtsein wieder aufzumöbeln. Einige Zeit ließen wir die Situation so laufen, aber unsere Streitigkeiten häuften sich. In mir reifte immer mehr der Entschluß, mich zu trennen, denn so konnte es nicht weiter gehen.
Raus aus dem alten Leben
Als ich meinem Mann meinen Trennungswunsch mitteilte, hatte er innerhalb kürzester Zeit eine neue Freundin. Ganz abgesehen, dass sein Affaire verheiratet war, hätte er sie sowieso nicht genommen, denn sie war nur Hausfrau und verdiente kein Geld. Das konnte und wollte er sich nicht leisten. Seine neue Freundin hatte eine kleine Wohnung in Köln-Ehrenfeld, die ich praktischerweise – inklusive der sehr häßlichen Möbel – übernahm. So zog ich also aus und reichte die Scheidung ein.
Wie heute erinnere ich mich noch, wie ich nach dem Umzug in der neuen Wohnung auf einer meiner Kisten hockte und mir die Tränen kamen. Er saß in unserem Traumhaus, dass ich mir alleine leider nicht leisten konnte, ich saß auf meiner Kiste und wußte nicht wohin mit dem ganzen Kram. Wirklich glücklich war ich in diesem Moment nicht, denn ich hatte für meine Flucht heraus aus dieser Ehe einen hohen Preis gezahlt.
Das Leben ging weiter
Etwas später zog meine neue Liebe zu mir und wir verlebten eine wirklich schöne Zeit. Wir verschönerten nach und nach, so wie es uns möglich war, unser Heim und verstanden uns prächtig. Im März 1983 heirateten wir und waren an diesem Tag die glücklichsten Menschen auf diesem Planeten. Freunde und Verwandte feierten mit uns und mein Vater tanzte mit mir. Ich wußte nicht, dass es unser letzter gmeinsamer Tanz sein sollte.
Zur Verschönerung der Wohnung gehörte der Bau einer Thekenlösung, um Küche und Wohnraum voneinander zu trennen. Dieser Aufgabe widmete sich mein Mann mit einem befreundeten Schreiner. Ich hielt mich derweil bei meinen Schwiegereltern auf, weil ich sonst in der kleinen Wohnung nur im Weg gewesen wäre. Eines Morgens klingelte es und mein Mann stand vor der Tür. ich wußte sofort, dass etwas passiert sein mußte. Mein Vater hatte einen Herzinfarkt und war, mit nur 58 Jahren, daran verstorben. Mein geliebter Papa war tot, einfach so von jetzt auf gleich, dass war nur schwer zu verkraften. Wir fuhren sofort in die elterliche Wohnung. Es war ein Samstag und meine Schwester mit ihren Freundinnen auf einem Wochenendausflug. In Ermangelung von Kenntnis der Örtlichkeit ihres Aufenthaltes und eines Handys (war ja damals noch eher die Ausnahme), konnte ich sie nicht erreichen. Damit sie nicht in eine leere Wohnung zurückkam, blieb ich dort. In dieser Nacht machte ich kein Auge zu. Sonntagnachmittag kam meine Schwester dann endlich zurück. Ich vergesse nie ihre Worte: „Er kann mich doch nicht alleine lassen“, als sie von Papas Tod erfuhr.
Nach Papas Beerdigung mußten wir erst einmal sehen, wie es weiter gehen sollte. Meine Schwester war 17 Jahre alt und hatte gerade erst ihre Ausbildung begonnen. Sie zu mir zu nehmen war zu diesem Zeitpunkt, wegen der winzigen Wohnung in der wir lebten, leider nicht möglich und das hätte sie auch nicht gewollt. Sie wollte gerne in der elterlichen Wohnung bleiben. Das setzte zwei Dinge voraus: Ich mußte für kurze Zeit, bis zu ihrer Volljährigkeit, die Vormundschaft übernehmen und für die Mietzahlungen bürgen. Es begannen schwere Zeiten für uns alle. Das Amt ließt sich ewig Zeit mit der Zahlung der Waisenrente und ich hatte auch nicht viel Geld, denn mein Mann war ebenfalls noch in der Ausbildung.
Auch wir wollten Spaß
Irgendwie haben wir alles überstanden und die Zeiten wurden wieder einfacher und leichter. Die Neue Deutsche Welle kam, die uns sehr gut gefiel. Wir feierten alle miteinander tolle Partys, sangen, tanzten und hatten, nach all dem Kummer, endlich eine fast sorgenfreie Zeit. Wir konnten das Leben wieder genießen. Ich verstand mich hervorragend mit meinen Schwiegereltern und auch wir feierten gemeinsam das ein oder andere Fest.
Leider hielt auch diese Ehe nicht und wir trennten uns Ende der 80er Jahre. Unsere Trennung hatte nichts mit dem Altersunterschied zu tun. Wahrscheinlich lag es eher daran, dass ich „die Erste“ für meinen Mann gewesen war. Wir gingen in Freundschaft auseinander und haben auch heute noch ab und zu Kontakt, was ich sehr schön finde.
Die 90er Jahre würden für mich wieder einmal einen Neuanfang bedeuten, aber davon erzähle ich ein andermal.