
Atemlos durch die Nacht – Wenn ich nachts nicht schlafen kann
Es ist 2:47 Uhr. Ich liege wach. Alle Welt schläft, außer mir, meinem knarzenden Lattenrost und der alten Heizung, die leise vor sich hin röchelt wie ein Hundertjähriger nach dem Treppensteigen.
Früher, so mit 20, konnte ich überall schlafen: in Zügen, auf Partys, sogar einmal in einer Badewanne (keine Fragen, bitte). Heute reicht schon ein zu spät getrunkener Kräutertee oder der Gedanke an die To-Do-Liste und zack, die Nacht ist gelaufen.
Ich versuche alles. Wärmflasche? Zu heiß. Fenster auf? Zu kalt. Einen Potcast hören? Der Herr mit der beruhigenden Stimme klingt inzwischen wie eine passiv-aggressiver Kriminologe, der mir mein Scheitern beim Einschlafen persönlich nimmt und irgendwann kommt er, der große Mitternachtsphilosoph in mir. Plötzlich frage ich mich, ob Nebel eigentlich Wasser ist, das keine Lust mehr hat zu regnen oder ob der Rhein sich nachts auch manchmal fragt, wo er eigentlich hin will. Ich entwickle in Gedanken Konzepte für beheizte Bettdecken mit WLAN oder Kaffeeautomaten, die morgens schon wissen, wie die Nacht war. Ich wäre reich, wenn ich nicht so verdammt müde wäre.
Der Höhepunkt kommt meist gegen halb drei, wenn ich endgültig aufgebe und zur letzten Maßnahme greife. Ich gehe in die Küche, starre eine Scheibe Gouda an und frage mich, ob Käse wirklich den Schlaf stört oder ob das bloß ein Gerücht ist, das von der Joghurtlobby gestreut wurde und wenn ich dann endlich, kurz vor dem Weckerklingeln, in den Schlaf finde, passiert natürlich das Unvermeidliche: Ich träume, dass ich wach im Bett liege und nicht schlafen kann. Selbst im Traum krieg ich kein Auge zu!
Am Morgen dann der Blick in den Spiegel, Ein bisschen sehe ich wie Hundertzwanzig aus. Immerhin war ich atemlos durch die Nacht, wie eine Mischung aus Helene Fischer und einer übermüdeten Kaffeekanne auf Sinnsuche. Vielleicht ist das der Preis fürs Älterwerden oder fürs Denken, oder einfach dafür, dass das Leben auch nachts nicht stillsteht. Es murmelt nur leiser vor sich hin.
Wer weiß, vielleicht finde ich ja heute Nacht endlich raus, was aus meinem alten Schulfreund Hans-Dieter geworden ist. Der mit der merkwürdigen Sammelleidenschaft für leere Tintenpatronen.
